„I bet, you were at the BETT”
Vor zehn bis fünfzehn Jahren galt es als eine Art „Ritterschlag“ in der österreichischen E-Learning Szene, wenn man auf der BETT war. Auch österreichische Politiker besuchen gerne die BETT, um dort oder in anderen Ländern das zu bewundern, was im eigenen Land nicht wahrgenommen wird.
Die Education Show der Superlativen
2020 war die 28. Auflage der Education Show auf der 36. BETT, die auch in der Selbstbeschreibung nicht an Superlativen spart. Das Selbstbewusstsein ist derart ausgeprägt, dass im 260-seitigen offiziellen Show-Guide das Akronym BETT an keiner einzigen Stelle erklärt wird. Die „British Educational Training and Technology Show“ definiert sich als „trade show” mit dem Zweck Informationstechnologie zu vermarkten. Diese Erklärung findet man im Internet, wo auch die Aussteller die meiste Information anbieten. Manche Firmen werben damit, dass ihre Messestände „papierlos“ sind. Den Marketing-Aspekt merkt man auch bei den Präsentationen und Vorträgen von Universitäten und Schulen, die häufig als klares Plädoyer für eine Firma enden. Das schärft den Blick ins Programm und plötzlich sieht man das Kleingedruckte, das den jeweiligen Sponsor des einzelnen Vortrages ausweist. Letztlich wird in zwölf „Hörsälen“ unterschiedlicher Größe bis hin zur „The Arena“ – was tatsächlich keine Übertreibung ist – den ganzen Tag präsentiert und vorgetragen. Da sind die vielen Präsentationen in den Firmenbereichen nicht eingerechnet.
Die großen Player der Technologiebranche bespielen umfassende Bereiche der Hallen und fahren interessiertes Publikum von der Messe mit Bussen in die Londoner Innenstadt zu weiteren Shows in ihren Firmentempeln.
Die größte Messe für Bildungstechnologie der Welt
Die BETT dürfte tatsächlich die größte Messe für Bildungstechnologie auf der ganzen Welt sein. Länder wie Saudi Arabien, der Oman, Vereinigte Arabische Emirate und die Türkei bespielen die Messe mit riesigen, eindrucksvollen Aufbauten – der Begriff „Messestand“ wird dem nicht gerecht -und plötzlich erinnert man sich wieder der Aufschrift am Eingang der Messehallen: „EXCEL LONDON. Part of ABU DHABI NATIONAL EXHIBITIONS COMPANY ADNEC“ unweit der „Emirates Royal Docks”.
Über 800 Aussteller und 6 inhaltliche Bereiche
Die Messe ist äußerst gut besucht, was sich in einem enormen Hintergrundrauschen durch den ganzen Tag zieht. Heuer wurde das erste Mal die „Education Show“ in die BETT räumlich integriert, was dem Wechsel von Vorträgen zu Firmenständen und umgekehrt sehr entgegenkommt. Die Messe ist in zwei aneinandergrenzenden Hallen (North/South Hall) in sechs Bereichen organisiert. Es wird zwischen „Learning Tech(nology)“ und „Teaching Tech“ unterschieden sowie „Equipment & Hardware“, „Management Solutions“ und der „Education Show“. Im „Global Showcase“ sind neben den erwähnten arabischen Ländern auch Korea und einige europäische Länder vertreten. Bei über 800 Ausstellern bringt man bei einem Rundgang locker seine 10.000 Schritte auf die Schuhsohlen und folgt gerne dem nächsten Vortrag. Die Sprecher sind durchwegs gut vorbereitet, streng im Zeitkorsett, aber:
"Death through Powerpoint“ lebt noch immer, sprich Folien mit enormen Textmengen, die den besten Leser überfordern.
Dass das Gros der Aussteller britischer Herkunft ist und Lösungen für den britischen Markt, sprich britische Schulen und Bildungseinrichtungen anbietet, liegt in der Natur der Sache. Software, mit der Videos für den Unterricht aufbereitet werden, kann auf BBC-Archive zugreifen. - Ah, hat nicht der ORF auch Archive? - Einer österreichischen Universität hat man das Softwarepaket schon verkauft. Die Beratung an den Firmenständen ist sehr professionell, gute Englischkenntnisse (zumindest receptive skills) sind allerdings kein Nachteil. „Was hältst du von der Software?“ – Ein Besucher spricht mich an, der gleichzeitig am Firmenstand beraten wurde. Man tauscht sich aus, spricht über die Bedürfnisse der eigenen Bildungseinrichtung, schlendert weiter zu einem Stand, wo auf einer Bodenmatte unter lautem Lachen hin- und hergesprungen wird. ACTIVE FLOOR nennt sich diese Matte, auf die ein Multiple Choice Test projiziert wird. Die Kinder springen auf den Button mit der richtigen Lösung und dann auf den Lehrer-Button, der die nächste Frage auslöst. Bewegung und Lernen mit verschiedenen Fragetypen und Aktivierungsarten. Mit der dazugehörenden Software schreiben Lehrende die Fragen und Antworten. „Tailor made“ – maßgeschneidert für ihre Schüler/innen.
Der Blick in die Preisliste erinnert mich wieder an unsere Schulbudgets und an die Tatsache, dass britische Lehrende und Schulleiter Vorträge und Schulungen für Firmen durchführen, um für die eigene Schule Geld zu verdienen.
Verschiedenste Themen auf der Messe
Weite Bereiche der Messe sind den Themen STEM, STEAM, SEND und CPD gewidmet. Keines dieser Akronyme wird im erwähnten Show Guide erklärt. Dass STEM mit Science, Technology und Mathematics zu tun haben wird, reimt man sich schnell zusammen. Das E steht für Engineering. Also unser NAWI. Wenn sich das A einschleicht, kommt ARTS dazu. Im Bereich SEND – Special Educational Needs and Disability – waren die Briten schon sehr früh umsichtig und rücksichtsvoll und so nimmt dieses Thema auch auf der BETT breiten Raum ein. Der fett gedruckte Hinweis in der „WELCOME TO BETT 2020!“ Botschaft, dass es mehr „free CPD sessions“ geben wird als jemals zuvor, erschließt sich auch erst nach einer „define:CPD“ Suche in Google: Continuing Professional Development. Berufliche Weiterbildung.
Nach den unterschiedlichen britischen Varianten des Englisch gab es am Donnerstag Abend eine Session mit Beiträgen von Lehrenden aus aller Welt. „International TeachMeet“ nannte sich die Veranstaltung, bei der fünfzehn Beiträge aus Canada, von Nigeria bis Israel und von der Türkei bis Norwegen präsentiert wurden. Auch „eEducation Austria“ war vertreten mit einem Bericht über die österreichische Strategie digitale Bildung in die Schulen zu bekommen.
So wirklich rasend Neues ist auf der BETT nicht zu entdecken. Dass Robotics und Coding wichtige Entwicklungen sind, ist uns auch in Österreich nicht verborgen geblieben.
Natürlich ist es toll mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin am Mond spazieren zu gehen mit CLASSVR Virtual Reality for Schools oder mit ROME REBORN eine Exkursion ins Antike Rom zu unternehmen (www.romereborn.org), aber bei aller Technikbegeisterung muss immer die Frage erlaubt sein wie relevant dieses und jenes für das Lernen ist.
Lückenlose Datenspeicherung der BesucherInnen
Was der Besuch der BETT und Großbritanniens gnadenlos aufzeigt, ist die Tatsache, dass jeder Besucher ein Datenlieferant ist. Schon bei der Anmeldung zur BETT im Internet muss man viele Fakten bekannt geben. Bei der Einreise wird das Foto im Reisepass mit dem Gesicht des Einreisenden digital abgeglichen. Beim Eingang der BETT wird man jeden Tag gescanned, jeder Aussteller, mit dem du sprichst, will deine Eintrittskarte scannen. Für jeden Vortrag wirst du gescanned. Damit sind deine Interessen dokumentiert. Den Kaffee bekommst du nur bargeldlos, sprich ist digital mit Karte zu bezahlen und damit nachvollziehbar. Wenn du die Standortbestimmung auf deinem Handy aktiviert hast, weil du in London nicht wirklich ortskundig bist, lässt sich jeder Schritt von dir nachvollziehen. In China sieht man wo dies hinführen kann. Bei uns machst du mit, oder du kommst eben nicht auf die BETT. Ohne Daten, kein Eintritt. Eintritt frei!
Gastbeitrag von Walter Steinkogler, OStR.Prof.Mag., Lehrer am BG für Berufstätige Salzburg, Mitverwendet an der PH OÖ Kompetenzzentrum eEducation, Referent für digitale Bildung in der Schule, speziell ICT in English Language Teaching in der Fort- und Weiterbildung, Leiter der Externistenreifeprüfungskommission AHS der Bildungsdirektion Salzburg.